von Hermann Nesch und Karl Fahrbach
(aus der Festschrift zum 150jährigen Jubiläum 2008)
Einst beim Markgröninger Schäferlauf
Offiziell 150 Jahre Blasmusik in Weitingen kann der Musikverein dieses Jahr feiern. Ob schon länger eine Musikkapelle bestanden hat, ist unbekannt. Fest steht auf jeden Fall, dass schon 1858 eine Weitinger Blaskapelle beim bekannten Markgröninger Schäferlauf aufgespielt hat. Diese Formation machte unter der Leitung des Lehrers Johannes Weippert also vor anderthalb Jahrhunderten in der näheren und weiteren Umgebung auf sich aufmerksam. So sind in dieser Zeit im „Amts- und Intelligenzblatt für den Oberamtsbezirk Horb“ etliche Auswärtsbesuche der Blaskapelle aufgeführt. Über das Wissen um die Geschichte der Weitinger Blasmusik hat der Musikverein sehr viel Karl Gfrörer senior (1868 – 1955) zu verdanken. Der „Alt-Schneider“ trat 1882 der Musikkapelle bei und brachte es danach auf über 70 Jahre als aktiver Musiker und 29 Jahre als Schriftführer. Die Kapelle zählte um 1850 sechs Mitglieder: Karl Gfrörer (Weber), Gregor Schurer, David Teufel (Gemeinderat) und die drei Gebrüder Söll.
In der Vereinschronik heißt es: „Unter der Leitung des damaligen Musiklehrers Johannes Weippert hatte die Kapelle nicht nur bei Hochzeiten aufgespielt, sondern auch an hohen Festtagen beim Gottesdienst mitgewirkt. Die Kapelle war weit über die Grenzen des Dorfes hinaus bekannt und beliebt. Bis Herrenberg, Nagold und Calw kamen die Weitinger Musiker, sogar nach Markgröningen im Unterland zu dem bekannten Schäferlauf wurde die Kapelle gefordert. Im Jahre 1910 hatte sie ihre Tätigkeit eingestellt. Eine verjüngte Kapelle löste die alte ab. Im Jahre 1915, während des ersten Weltkrieges, gründete Gfrörer senior eine Jugendmusikkapelle(…). Mit diesen Jungen hatte Gfrörer sen. so das Erbe, das Kulturgut der Väter, über den Krieg hinüber gerettet.“
Weltkriege brachten schwere Zeiten
Die Wirren des Ersten Weltkrieges gingen auch beim Musikverein nicht spurlos vorüber. Recht ungeordnet schlug man sich in den harten Nachkriegsjahren so durch. Im Jahre 1925 gelang es jedoch, den Verein neu zu konstituieren und das schwächelnde Pflänzchen wieder zum Wachsen zu bringen. Schneidermeister Karl Gförer senior, Schultheiß Adrian Saile und Karl Bernhard waren dabei die treibenden Kräfte. Sie bekleideten auch die Führungsämter im Verein. Adrian Saile übernahm den Posten des ersten Vorsitzenden, Bäckermeister Bernhard fungierte als dessen Stellvertreter und Karl Gförer führte als Schriftführer die Vereinschronik, eine Tätigkeit, die er bis 1954 insgesamt 29 Jahr innehaben sollte. Der „Alt-Schneider“ war im weiten Umkreis als Vollblutmusiker und knitzes Original bekannt. Nicht ungefähr wurde ihm 1927 das Amt des zweiten Gauvorsitzenden übertragen. Im selben Jahr übergab Bürgermeister Adrian Saile den Posten des ersten Vorsitzenden des Musikvereins an seinen bisherigen Stellvertreter Karl Bernhard, der dann 1933 von Matthias Schmid abgelöst wurde.
Zweiter Weltkrieg – ein tiefer Einschnitt
Auch während des Zweiten Weltkrieges waren viele Musikkameraden im Krieg und etliche kamen auch nicht mehr „vom Feld“ zurück. Ein Grund, warum die Lust auf Blasmusik erst zwei Jahre nach Kriegsende wieder erwachte. So kam es – wiederum im Vereinslokal „zur Blume“ – im Januar 1947 zur Wiedergründung des Vereins. Damals war allerdings noch die Zustimmung der französischen Militärverwaltung erforderlich. An die Spitze des Vereins wurde Felix Bok gewählt, Stellvertreter und Schriftführer wurde – wie konnte es auch anders sein – Karl Gfrörer senior, und Vinzenz Pekari übernahm das Amt des Kassiers.
Es folgten bald recht unruhige Zeiten im Musikverein. Sie waren von ständigen Wechseln in der Führungsspitze geprägt. Kein Vorsitzender übte sein Amt eine längere Zeit aus. Der am kürzesten amtierende Musikvereinsvorsitzende war wohl Gotthard Biener, der sein Amt im März 1949 nach nur 14 Tagen wieder aufgab. Er wurde von Bürgermeister Anton Raible abgelöst, dem bis 1953 Matthias Schmid folgte.
Als nächster übernahm Hans Nägele, Bezirksnotar und späterer Ortsvorsteher, von 1953 bis 1956 das Steuerrad auf dem Vereinsschiff. Nägele engagierte sich auch überörtlich als Bundes und Landesschriftführer des Bundes Deutscher Blas- und Volksmusikverbände für die Musik. Nachdem Nägele sein Amt aufgab, sprang erneut Matthias Schmid in die Bresche. Von recht kurzer Dauer war die Amtszeit seines Nachfolgers und damaligen Neubürgers H.J. Keßler, nämlich von Januar bis März 1963. Auf den Vater Matthias Schmid folgte von 1964 bis 1965 dessen Sohn Hubert Schmid, der selbst aktiver Musiker war. Mit Anton Sailer trat von 1965 bis 1967 ein weiterer aktiver Musiker an die Vereinsspitze. Als Folge der unruhigen Zeiten fiel die Kapelle allmählich auseinander. Mit Roland Mattenschlager als neuem Vorsitzenden wurde 1967 ein Neubeginn „von unten“ gewagt und unter der Leitung von Musikdirektor Gottlob Rometsch eine „60 Mann starke“ Jugendkapelle aufgebaut.
Rückschlag und Wiederauferstehung
Einen ersten Rückschlag erlitten die erfolgreichen Bemühungen durch den plötzlichen Tod des erst 43-jährigen Roland Mattenschlager im Sommer 1969. Nach dem zehntägigen Gegenbesuch im südfranzösischen Pamiers zerfiel die 66-köpfige Jugendkapelle zusehends, und auch Mitbegründer Gottlob Rometsch musste bald seinen Dienst in Weitingen aufgeben. Der neu gewählte Bürgermeister Nobert Scheurer übernahm in der Folge das Amt des Vereinsvorsitzenden, das Hubert Schmid in der Zwischenzeit kommissarisch ausgeübt hatte. Ruhe kehrte erst wieder ein, nachdem 1971 Pfarrer Leo Rupp als Vorsitzender den recht desolaten und „leicht chaotischen“ Verein in seine Obhut nahm. Mit seiner Willenskraft, seiner unverwüstlichen Kämpfer- und Führernatur gelang es „Don Leone“, den Verein unter großem persönlichem und finanziellem Einsatz und mit Unterstützung der beiden stellvertretenden Vorsitzenden Eugen Raible und Manfred Müller „über die Runden zu bringen“. Nach diversen Dirigentenproblemen war er sich auch nicht zu schade, eine Zeit lang selbst den Dirigentenstab zu schwingen. Bevor Leo Rupp selbst 1975 Weitingen in Richtung Weil im Schönbuch verließ, „schenkte“ er dem Verein mit Rainer Jauch aus Wittershausen noch einen umtriebigen Dirigenten und besorgte mit Gebhard Fischer auch einen geeigneten Nachfolger für das Amt des Vereinsvorsitzenden.
Fischer führte den Verein dann auch bis zum Jahreswechsel 1993/94 insgesamt 18 Jahre überaus erfolgreich und mit großem Engagement. Von Anfang baute er auf die Jugend, setzte großes Vertrauen in sie und übertrug den zum großen Teil noch „weit unter der Volljährigkeit“ befindlichen jugendlichen Vorstands- und Ausschussmitgliedern Verantwortung. Der Führungsstil Fischers hatte sich bewährt. Einige „Lausbuben“ von damals bilden auch heute den Führungsstamm des Vereins und setzen seine erfolgreiche Arbeit fort. Fischer stellte den Verein mit zahlreichen Veranstaltungen, u.a. der jährlichen Schulhofhockete, auch auf eine solide wirtschaftliche Grundlage. Im Jahr 1994 übergab er die Vereinsführung in wesentlich jüngere Hände, an den heute noch amtierenden Vorsitzenden Edgar Schmid. Für seine Verdienste wurde Gebhard Fischer nach Leo Rupp zum zweiten Ehrenvorsitzenden ernannt.
Den Posten des „Vize“ im Musikverein bekleidete bis 1979 Eugen Raible, dem kurz darauf der seit 1976 amtierende Jugendleiter Erwin Leins folgte. Auf Harald Mattenschlager (1980 – 1982) folgte Erich Häsler, der dieses Amt nach 12 Jahren 1994 an seinen Sohn Gerd übergab.
Die Kasse verwalteten seit 1975 Albert Saile (Wagnermeister), Franz Schäfer, Hubert Schmid, Frank Sauter, Alexandra Schäfer und Daniela Bernhard. Zurzeit führt Rainer Himmelsbach die Kassengeschäfte.
Die Vereinschronik führten die Schriftführer(innen) Harald Mattenschlager, Klaus Schmid, Angela Nesch, Elke Raible, Katja Saile (verh. Lohmiller) und nun Agnes Torkler weiter. Den 1974 neu geschaffenen Vorstandsposten des Veranstaltungsleiters übte bis 1994 mit Erfolg und großem Engagement Franz Schmid, der Vater des heutigen Vereinsvorsitzenden Edgar Schmid, aus. Sein Nachfolger ist bis heute Werner Schwab. Erwin Leins wurde 1981 von Uwe Schmid als Jugendleiter abgelöst, der später auch als Vizedirigent dem Musikverein jahrelang erfolgreich diente. Auf Jugendleiter Gerd Häsler folgten Jürgen Felger und bis heute Matthias Schiebel.
Die musikalische Leitung hatte von 1986 bis Oktober 2000 Musikdirektor Manfred Schäfer inne. Ihm folgten von Januar 2001 bis Ende 2003 der frühere Dirigent Rainer Jauch. Er wurde nach Ende 2003 von Joachim Nägele abgelöst, der die Musikkapelle bis dato dirigiert und im Frühjahr 2008 auch die Jugendkapelle übernahm, nachdem Armin Frank nach acht Jahren erfolgreicher Tätigkeit seinen Posten aufgegeben hatte.
Im Jubiläumsjahr zählt der Musikverein 268 Mitglieder. Davon sind 90 aktive Musiker oder Jungmusiker. Zu den insgesamt 153 fördernden Mitgliedern gesellen sich noch 25 Ehrenmitglieder.